Schloß
Burgrain
Ursprünglich
Sitz des bajuwarischen Adelsgeschlechts der Fagana.
Die Fagana waren neben den Agilofi
(=Agilofinger), Anionza, Drozza, Hahilinga und Huosi eine der 6 bedeutendsten bajuwarischen Sippen. Die
Herrschaft der Agilofinger in Bayern dauerte vom 5.
bis zum 8. Jahrhundert. (-> der Streit des Hzgs Tassilo mit Karl dem Großen
führt
zu dessen Ächtung.
Heutige Hinweise: Einöde
Fang bei Kaltenbach, Familienname Fanger,
Ortsendungen auf -ing. Ein Erdschutzwall 200m südlich der Burg könnte noch aus
dieser Zeit stammen .)
Bischof
Josef von Freising (2. Nachfolger des Gründers Korbinian) gründet ein
Benediktiner Kloster in Isen, im Jahre 747.
Atto der Kienberger, Bischof von Freising, erwirbt im Tausche Burgrain von dem Fagana Riphwin im Jahre 808.
Bestätigung des Tausches durch Ludwig I. am 4. Mai 811.
Das
10. Jahrhundert ist geprägt von den Ungarneinfällen.
In der Schlacht auf dem Lechfeld 955 werden die Ungarn von Otto d. Gr. (936 -
973) und Bischof Ulrich von Augsburg besiegt. Das Benediktiner Kloster in Isen
wird während der Ungarneinfälle zerstört und nicht wieder aufgebaut. Burgrain
wird als Zuflucht erwähnt. Otto d. Gr. verleiht den Bischöfen von Freising die
Fürstenwürde.
Wiederaufbau
der verelendeten Herrschaft Burgrain in der Zeit Heinrichs II-der Heilige, (973
- 1024). Heinrich II, seit 995 Hzg. v. Bayern und
seit 1002 röm.-dt. Kaiser. Bedeutende Schenkungen und Begünstigungen an das
Bistum Freising durch ihn und seine Gemahlin Kunigunde. Bischof Egilbert überläßt im Jahre 1025
der Kaiserinwitwe Burgrain zur Nutznießung (vgl. Altarinschrift rechter
Seitenaltar: Altare
S. Cunigundis Imperatoris usufructuariae huius loci").
Augustiner-Chorherrenstift
in Isen ab etwa 1100.
Um
1200 erbaut der Probst Ulrich nach dem Vorbild des Domes zu Freising eine neue
St. Zeno-Kirche in Isen: Dreischiffige romanische Basilika, darin - unter dem Hochchor - eine zweiteilige Krypta. Der 40m hohe Turm
stammt aus der Gotik.
Ebenfalls Anfang des 13. Jahrhunderts
entsteht der Nagelfluh-Bergfried in Burgrain (urspr. 22m hohe Mauern, 2.5m
stark, vgl. Kupferstich von Wening. Heute auf eine
Höhe von 11m abgetragen. -> Steinbruch für Bierkeller 1800). Er steht an der
strategisch schwer zu verteidigenden Südseite der Burganlage. Vermutlich aus
dieser Zeit stammt auch der südlich der Anlage liegende Burggraben (heute:
Burgstraße).
Von
1300 bis 1600 war Burgrain mit seinen Ländereien öfters verpfändet, bzw. zu
Lehen gegeben. Häufige Streitigkeiten mit der benachbarten Grafschaft Haag sind
dokumentiert. Ausbau der Burg im 14. und 15. Jahrhundert zu einer
spätmittelalterlichen Festungsanlage unter den Bischöfen Hermann (1412-1421)
und Nicodemus (1422-1443). Es entstehen eine 8m hohe
Umfassungsmauer mit Wehrgang, der Palas an der geschützten Nordseite der Burg,
Wirtschaftsgebäude (?) an der Ost- und Südostseite (Zehntkasten) und eine
quadratische, in die Wehranlage integrierte gotische Kapelle an der Südwestecke
der Anlage. Vermutlich bestand keine Verbindung der Gebäude mit dem Wehrturm,
zumindest auf dessen Süd- und Westseite nicht.
Erst
ab 1600 verbleibt die Herrschaft Burgrain ausschließlich im Besitz des Bistums
Freising. Die Bischöfe berufen einen Pfleger, der auch die niedere
Gerichtsbarkeit ausübt
Im
30-jährigen Krieg wird Burgrain im Jahre 1633 von den Schweden geplündert und
noch einmal im Jahre 1648 durch Schweden und Franzosen. Angeblich sollen die
Feinde einen im Turm vergrabenen Schatz an Gold" gefunden
haben. 1634 wütet
die Pest im Burgrainer Land. 1639 Feuer auf Schloß Burgrain. Wie wahrhaft
ungeheuerlich diese schreckliche Zeit war, kann man einem Brief des damaligen
Pflegers Christian Itt an den Bischof entnehmen. Itt schreibt darin: Bin heint
Nacht im Schloß
gelegen, und weilen ain gespenst
so übl
regiert, mag ich darin nit bleiben, sondern ziehe heint ... ins Dorf hinab, mag mehreres nit
schreiben vor schreckh und khumerniß."
Bedeutende Umbauten durch Bischof Johann Franz Eckher
von Kapfing im frühen 18. Jahrhundert.
Neubau der Schloßkapelle im Jahre 1719 durch
Dominikus Gläsl. Die Maße der alten gotischen Kapelle
entsprechen dem Langhaus. Anbau des Chores, Verbindungsgang zum Ostbau, der ein 2. Stockwerk erhält (vgl. Michael Wenings Kupferstich um die
Jahrhundertwende 17. - 18. Jahrhundert, der die Burganlage noch im ursprünglichen
Zustand zeigt). Die Altarfiguren stammen vom freisinger
Hofbildhauer Anton Malleth.
3.
Dezember 1800 Schlacht von Hohenlinden (2. Koalition gegen Frankreich). Bayern
wird Königreich. Die Herrschaft Burgrain endet im Zuge der Säkularisation am 11.
12. 1802. Am 12. 3. 1804 wird das Schloß,
einschließlich der umliegenden Grundstücke und Felder und des für 11000 Gulden
neu gebauten Bierkellers für nur 18000 Gulden öffentlich versteigert.
Die
Familien Gnatz, Seidenschwarz, Streibl und Niederreither
(durch Verehelichung miteinander verwandt) besitzen das Schloß
von 1804 bis 1906. Sie betreiben Ökonomie und eine Brauerei. An der Westseite
der Anlage wird ein großes Brauereigebäude errichtet. Der Burgrainer
Biergarten ist weit bekannt und wird als Ausflugsziel in einer Münchner
Freizeitbroschüre bereits um 1910 genannt.
Von
1906 bis 1917 steht Burgrain im Eigentum des Vereins
Versorgungs- und Beschäftigungsanstalt
für
erwachsene Blinde in München".
Der 1. Vorsitzende des Vereins Eduard Ritter von Graf widmet sich mit ganzer
Kraft dem Ziel, Burgrain zu einem für damalige Zeiten großzügigen Heim für
Behinderte zu machen. Leider werden auch in dieser Zeit Umbauten an der Burg
vorgenommen, die wenig Rücksicht auf den ursprüngliche
Charakter der Anlage nehmen. Eduard Ritter von Graf erliegt einer Verwundung
aus der Schlacht um Verdun. Nach dem Tode des 1. Vorsitzenden werden die
Verhältnisse auf Burgrain für den Verein so unüberschaubar, daß
dieser froh ist, sich unter großen finanziellen Verlusten aus dem Abenteuer
Burgrain zurückziehen zu können.
Max
Rombach, der letzte Verwalter des Blindenheimes, besitzt Burgrain von 1917 -
1919. Er verfügt nicht über die finanziellen Mittel, Burgrain ohne Fremdkapital
zu kaufen und muß deshalb unter anderem das Braurecht
an die gräfl. Moysche Brauerei auf ewig" verkaufen.
Seit
1919 ist Schloß Burgrain im Besitz der Familie Klapp.
Bis 1957 wird die Ökonomie mit sehr viel Engagement weitergeführt. Die
Möglichkeiten, die Arbeitsschritte zu rationalisieren und zu mechanisieren sind
aber in einer Umgebung, die mehr eine mittelalterliche Verteidigung gegen
Feinde berücksichtigt, bald ausgeschöpft und zwingen zur Aufgabe der
Landwirtschaft. Burgrain dient nach dem 2. Weltkrieg bis zu 80 Personen als
Zuflucht. Erst 1967 ziehen die letzten Mieter aus. Im Jahre 1971 wird ein neuer
Zugang zur Kirche geschaffen und so auch in Burgrain die Trennung
von Kirche und Staat" vollzogen. Nach Abbruch der ehemaligen Brauerei auf
der Westseite des Burghofes in den Jahren 1983 und 1986 bietet der Innenhof
wieder den Charakter der ursprünglichen Wehranlage.
Ulrich
Klapp
Schloß Burgrain im Jahre 1995
Quellen:
·
Die ehemalige freisingische Herrschaft
Burgrain; Heilmaier Ludwig, München 1911
·
Jahresarbeit Ein
Stück
Heimatforschung zum Dienst am Burgrainer
Schulkind"; Huber Lorenz, Burgrain 1950
·
Historischer Atlas von Bayern, Teil Altbayern, Heft 33; Stahleder Helmuth, München 1974
·
75 Jahre Blindenhilfsverein e.V.; Scheipl Else, München 1981