Schloss Burgrain zur Zeit der Säkularisation
Die Säkularisation 1803 war eine
der großen geschichtlichen Veränderungen in unserer Heimat. Die Kirche in
Bayern verlor dabei ihre Güter, Liegenschaften und territorialen Rechte an den
bayerischen Staat.
Auch die Herrschaft Burgrain,
fürstbischöflich freisingischer Besitz seit dem Jahre
811, war damit aufgelöst. Schloss Burgrain wurde versteigert und kam in
Privatbesitz.
Wie waren damals die zeitlichen
Abläufe, welche Folgen hatte die Auflösung für Schloss Burgrain und wer war
davon unmittelbar betroffen?
Um dies ein wenig zu erhellen,
macht es Sinn, zunächst die verschiedenen Funktionen zu skizzieren, die Schloss
Burgrain im Laufe seiner fast 1000-jährigen Geschichte als Mittelpunkt der gleichnamigen Herrschaft
Burgrain (811 – 1802) erfüllte.
Zunächst war es wohl die verteidigungstechnisch ausgezeichnete
Lage auf einem 40m über der Isen liegenden Bergsporn, die zur Besiedelung und
Gründung von Schloss Burgrain führte. (Wiederholt wird Burgrain als Zuflucht
erwähnt, z. B. zur Zeit der Ungarneinfälle im 10. Jahrhundert.) Bis ins 16.
Jahrhundert wird die Festungsanlage
immer mehr erweitert und vergrößert. Aber bereits im 30-jährigen Krieg ist die
mittelalterliche Verteidigungsanlage ohne Bedeutung, - Burgrain wird in dieser
Zeit zweimal geplündert.
Parallel zur Festungsfunktion entwickelt sich das Schloss zum administrativen Mittelpunkt des
Freisinger Territorialbesitzes der Herrschaft Burgrain, mit Sitz der vom
Bischof eingesetzten Pfleger und Richter. Spätestens allerdings durch die
Säkularisation selbst, verliert das Schloss diese Funktion als Zentrum der
herrschaftlichen Verwaltung wieder.
Im 17. und frühen 18. Jahrhundert wird das Schloss häufig vom
jeweiligen Bischof besucht, der dann in seinen Herrschaftswäldern der Jagd
nachgeht und in den sog. Fürstenzimmern residiert. Der Fürstbischof Johann
Franz Eckher von Kapfing
und Lichteneck lässt Teile der Burg umbauen, um dem
Gebäude mehr den repräsentativen
Charakter eines Schlosses zu verleihen. In der Chronik der Herrschaft
Burgrain von Ludwig Heilmaier heißt es:
„Die Schloßgebäude in ihrer heutigen Gestalt
gehen zurück auf den großen Umbau unter Fürstbischof Franz v. Eckher; in Anlage und Aufbau hielt er sich jedoch an das
Werk seiner Vorgänger Hermann und Nikodem
(1412-1443), welches noch stark burgartigen Charakter zeigte.“ Zu den Fürstenzimmern heißt es: „Franz Eckher wußte sich diese Gemächer wohl in deutscher Behaglichkeit
auszustatten und mit mächtigen Geweihen zu schmücken….“ und weiter: „…hat er sich bei seinen eigenen Wohnräumen
auf bauliche Befestigung und wohnliche Ausgestaltung beschränkt und ihnen in
pietätvoller, kunstsinniger Weise das gotische Gepräge belassen.“
Auch mit dem Neubau der barocken Schlosskapelle bewies Franz Eckher, dass ihm Schloss Burgrain sehr am Herzen lag. Ob
allerdings einer seiner Nachfolger noch einmal Burgrain als Jagdschloss genutzt
hat, ist eher zu bezweifeln, jedenfalls war Eckher
der letzte Eigentümer unter den Bischöfen, den man als aktiven und umsichtigen
Bauherrn bezeichnen kann, und von seinen Fürstenzimmern blieb leider nicht viel
mehr als die grobe bauliche Hülle.
Die bisher geschilderten drei Aufgaben des Schlosses waren also zu
Beginn des 19 Jahrhunderts mehr oder weniger unwichtig geworden.
Das Schloss, seine Gebäude und zugehörigen Ländereien als
zusammenhängendes Wirtschaftsgut
dagegen waren zu allen Zeiten von zentralem Stellenwert. Neben den Zehenteinnahmen, Abgaben und sonstigen Steuern, die der
herrschaftlichen Verwaltung in Freising zustanden, waren auch die eigene
Landwirtschaft, Fischzucht, Jagd und Forstwirtschaft einträglich. Zusätzlich
gewannen ab dem 16. Jahrhundert auch die Einnahmen aus der zum Schloss
gehörenden Brauerei an Bedeutung. Diese Funktion als wirtschaftliche
Einnahmequelle bleibt zu allen Zeiten bestehen, auch über die Säkularisation
hinaus, wie wir im Folgenden sehen werden.
Die
letzten Jahre der Herrschaft Burgrain
Wie stellen sich uns nun die letzten Jahre der Herrschaft Burgrain
ab etwa 1795 dar?
Überraschenderweise beginnt in dieser Zeit allergrößter
politischer Veränderungen und neuer, revolutionärer Ideale, -„Freiheit,
Gleichheit, Brüderlichkeit“- noch einmal rege Bautätigkeit auf Schloss
Burgrain. Aber nicht eine „pietätvolle, kunstsinnige“ Erweiterung im Sinne Eckhers ist das Ziel, sondern größere finanzielle Einnahmen
sollen erschlossen werden.
Während bis dato auf Schloss Burgrain nur obergäriges Weißbier
gebraut wurde, lässt Fürstbischof Josef Konrad v. Schroffenberg
(1790-1803) zusätzlich ein Braunbiersudwerk einrichten. Im Erzbischöfl.
Ordinariats-Archiv steht hierzu: „…auch
zu Burgrain angefangen, ein Braunes Bier Sudwerk
einzuführen, in gänzlicher Hoffnung, daß solches, da
es zum Besten des gemeinsamen Wesens gemeint ist, auch seinen Wünschen
vollkommen entsprechen werde.“
Der Bau eines sog.
Märzenkellers zum Einlagern des Bieres war zusätzlich erforderlich, da der
Gärprozess beim untergärigen Braunbier nur bei relativ niedriger Temperatur
abläuft und im Sommer, ohne Kühlung, kein solches Bier gebraut werden kann. Im
Jahre 1800 wurde in den Bauakten vermerkt: „Errichtung
eines Merzenkellers für 50 Bierfaß
jedes zu 30 Eimer durch Fürstbischof Josef Konrad.“ Das alte Maß eines
Eimers wird im Allgemeinen mit ca. 70l angegeben, so dass insgesamt mehr als
1000 Hektoliter Bier eingelagert werden konnten. Auch die Ausmaße dieses
Kellers, der heute noch erhalten ist, sind beeindruckend. Er ist in drei Räume
von insgesamt ca. 260 qm eingeteilt, überwölbt mit mächtigen Tonnengewölben.
Der Boden des Kellers liegt ca. 9m unter Umgebungsniveau. Als Kosten für den
Bau wurden 11.600fl angegeben. Soweit wäre gegen diese Modernisierung nichts
einzuwenden, wenn man nicht, um Baumaterial zu sparen, den romanischen
Quaderturm der Burg um die Hälfte abgetragen hätte und die Nagelfluh-Quadersteine
für den Bau des Kellers verwendet hätte.
Diese Entscheidung, dem „trendigen“ Geschmack nach Braunbier das
Wahrzeichen der Herrschaft, den 22m hohen romanischen Bergfried zu opfern, kann
wohl nur als Baufrevel bezeichnet werden. Die Herrschaft Burgrain, mag man fast
denken, hat sich symbolisch selbst den Kopf abgeschlagen und wie in einem
Menetekel die spätere Auflösung selbst vorweggenommen.
Als nächstes wollen wir die Einnahmen aus Schloss Burgrain für das
hochfürstliche Steuerkassieramt in Freising etwas
genauer betrachten, die in den letzten Jahren der Herrschaft erzielt wurden.
Die Gewinnbilanz selbst wurde eingeteilt in: Gewinnbilanz des Pflegeamtes, des
Kastenamtes, des Umgeldamtes, des Brauamtes, der Burgrainer Forstverwaltung und der Steuereinnahmen. Im
Jahresdurchschnitt von 1792 bis 1801 erzielte man Einnahmen in einer Höhe von
ca. 11.000fl. Dies waren durchaus beachtliche Summen, vergleicht man sie etwa
mit dem Jahreseinkommen eines Kanonikers des Kollegiatstiftes Isen im Jahre
1802 von ca. 1.100fl, oder denen eines Bräuknechts in
Burgrain mit ca. 260fl. Wenn später davon die Rede sein wird, dass das Schloss
in allen Teilen reparaturbedürftig sei, so lässt dies nur den Schluss zu, dass
die Einnahmen in der Regel in einem viel zu geringen Umfang für den Unterhalt
des Gebäudes verwendet wurden.
Die Schlacht von Hohenlinden am 3. Dezember 1800 hatte für Schloss
Burgrain glücklicherweise nur relativ geringe Auswirkungen. Während sich 7 km
entfernt allerschlimmstes Elend und Leid für die Bevölkerung und für tausende
von Soldaten abspielte, beschränkten sich die Verluste in Schloss Burgrain, –
man kann es schon erahnen, auf die Bier- und die Getreidevorräte. In der
Chronik heißt es: „Am Mittag des 29.
November wurde das Schloß Burgrain von französischer Kavellarie und Infanterie überfallen und geplündert. Vor
allem hatte man es auf die Bräuerei abgesehen: 19
Halbfässer Weißbier und eine ganze Sud braunes Schenkbier wurden samt den
Zubern und Kübeln zu einem Zechgelage in den Wald geschleppt…. Eine Truppe
Franzosen feierte am 4. Dezember den Sieg, indem sie den restigen
burgrainischen Biervorrat, 16 Halbfässer Weißbier und
24 Eimer Braunbier vertranken auf das Wohl der Republik…. Am 5. und 6. Dezember
sprengte General d’Espagne die herrschaftlichen Getreidekästen
und nahm alle Vorräte an Haber, Gerstenmalz, Heu usw. in Beschlag….Gaßner (Anm.:
Burgrainer Gerichtsschreiber) berechnete den Schaden an den herrschaftlichen Gebäuden auf 2.865fl,
den Gesamtschaden auf 4.416fl“.
Auf der einen Seite legen einem die Bautätigkeiten und die
positiven Jahresbilanzen nahe, dass die herrschaftliche Verwaltung in dieser
Zeit noch recht zielstrebig und geordnet funktionierte, sogar die Schlacht von Hohenlinden konnte
ohne größeren Schaden überstanden werden. Auf der anderen Seite war die
Verwaltung selbst ohne eigentliche Leitung und erscheint aus heutiger Sicht
ziemlich unentschlossen. Heilmaier schreibt in der
Chronik: „Im Jahre 1797 starb der letzte
Pfleger von Burgrain, J. B. Willibald v. Freyberg, freisingischer
Oberstjägermeister, der erst 1795 installiert worden war. …Außerordentlicher
Weise wurde die Freifrau Louise v. Freyberg in den Pflegamtsgenuß
eingewiesen, weil ihr Gemahl, nachdem er zur Ablösung der Maierschaft
große Kosten gehabt, so bald verstorben war unter Zurücklassung unmündiger
Kinder.“ In Wirklichkeit musste der
Gerichtsschreiber Gaßner das Pflegeamt quasi kommissarisch ausführen. Nun hatte
dieser wohl sicher genug damit zu tun, trotzdem blieb ihm zusätzlicher Ärger
nicht erspart. Die Witwe des vorletzten Pflegers, Heinrich v. Welden, forderte rückständige Vogteieinnahmen und außerdem
die Möbel ihres Mannes. Gaßner hierzu: „Es
kommt mir befremdend vor, daß die im Schloß befindlichen uralten Kästen und Gemählde
den aufeinander gefolgten Pfleger zugehörig sein sollen. Leider sind keine
alten Inventare vorhanden.“ Nicht
genug damit, als Freifrau v. Keßling machte die Witwe
des Freybergers dem Fürstbischof Josef Konrad
gegenüber 1802 geltend, dass ihr laut Kammerbefehl von 1798 60 Klafter
jährliches Holz aus den burgrainischen Waldungen
angewiesen seien, und sie forderte die ausständigen 198 Klafter in Geld. Man
kann Gaßner nur bedauern ob dieses kleingeistigen Gezänks in einem Jahr, das
für Burgrain wahrlich ganz andere Konsequenzen hatte. Jedenfalls kann von einer
Verwaltung, die sich in irgendeiner Weise gegen das drohende Unheil der
Auflösung gestemmt hätte, nicht die Rede sein.
Die
Säkularisation
Nun befinden wir uns im Dezember 1802. Während wohl Feifrau v. Kessling auf ihre 198
Klafter Holz wartet, sie wartet übrigens heute noch, ist die freisingische Herrschaft Burgrain noch Ende 1802 ein
bayerisches (provisorisches) Landgericht geworden. Gerichtsschreiber Gaßner
erhält die Nachricht auf dem Sterbebett. Am 26. Dezember stirbt Gaßner. Heilmaier vermerkt in der Chronik: „Gaßner erscheint in allen Akten als Muster der Gewissenhaftigkeit und
Pünktlichkeit, er hatte auf seinem Sterbelager noch die Richtigkeit seiner
Rechnungen dargelegt. Wenn trotzdem nach seinem Tode Rückstände sich fanden an
Zehnten, Scharwerksgeldern usw., so hat das ohne Zweifel darin seinen Grund, daß Gaßner sich angesichts der schon im Gang befindlichen
Säkularisation sagen konnte, es würden ohnehin die burgrainischen
Güter in absehbarer Zeit ihrem rechtmäßigen Herrn entrissen.“ Hofratskanzlist Sartori
erhält nun die Verwaltung über Burgrain, Zeilhofen
und Kopfsburg. Als provisorischer
Landgerichtsverweser muss er der Säkularisierungs-generalkommission
die wenig angenehme Mitteilung machen, dass das Schloss Burgrain in allen Teilen reparaturbedürftig sei. Besonders
im Wohnungsstock sind die Mauern dem Einsturz nahe und die Decken bereits
eingestürzt.
Die zu dieser Jahreszeit ziemlich unwirtlich wirkenden, kalten und
düsteren Gemäuer werden wohl ihren Teil zu dieser negativen Einschätzung
beigetragen haben. Wahrscheinlich ist nicht mehr viel von einem
funktionierenden Ökonomiebetrieb bzw. einer konjunkturell boomenden Brauerei zu
spüren. Zweifellos ist auch ein wirtschaftlicher Tiefpunkt erreicht.
1803 gibt das Landgericht Burgrain bekannt, dass die
Staudingerstiftung zu Isen für burgrainische Arme mit
jährlich Zins von 6 Schäffel Korn und 50 fl. heuer zum letzten Mal bewilligt werde. Durch Schreiben
vom 20. Mai 1803 unterfertigt von Kurfürst Max Josef und Montgelas
wurde die „Pensionierung des Amts-, Bräu- und Forstpersonals des Landgerichts
Burgrain und der Hofmark Zeilhofen“ geregelt. Hierbei
werden insgesamt 16 Personen namentlich benannt. Weiter heißt es in den
Schreiben u. a.: „Die ordnungswidrigen
Getreidesammlungen bei den Untertanen fallen ohne weiteres weg“.
Über die Säkularisation hinaus dauern bedeutende Streitsachen im
Zusammenhang mit der herrschaftlichen Verwaltung fort. Die Untersuchungen über
die Zehentdifferenzen und Rückstände dauern bis 1816.
Nachdem nun die Herrschaft Burgrain aufgelöst ist, stellt sich die
Frage nach der Verwendung der umfangreichen Gebäudekomplexe des Schlosses.
Diese genügen allerdings mehr den
mittelalterlichen Bedürfnissen einer Verteidigungsanlage und sind ökonomisch
nicht gut nutzbar.
Baubeschreibung aus dem Dezember 1803:
Bericht an
den Kurfürsten: „Sämtliche Gebäude
stehen im Viereck auf einem steilen Berg, die Schloßwohnung
hat grosse unschicklich angebrachte Zimmer und Gänge
nebst grossen Stadel und Stallung; alles ist alt und
sehr baufällig; die Schloßkapelle, die als Filial der Pfarre Mittbach bisher
zu pfärrlichen Gottesdiensten gebraucht worden, macht
nebst einem alten Thurm eine Seite des Gebäudes aus,
die wohl gebaut und gut unterhalten ist. Die andere Seite des Vierecks bilden
die Bräuhausgebäude mit einem erst vor drey Jahren neu erbauten Merzenkeller
für 50 Bierfaß jedes zu 30 Eimer. Der Umfang des Bräuhauses ist zu eng, und seine Einrichtung sehr mangelhaft... .Eine Wasserreserve in dem von Quaterstein
9 Schuh dick aufgeführten obgemelten Thurm sammelt das nöthige
Wasser, das mittels 1200 Teichen drey Viertl Stund weit hergeleitet
werden muß.“
[BHStA MF 17066].
Als nächstes werden die herrschaftlichen Gebäude für die
Brandversicherung geschätzt: Das Schloß mit Kirche, Bräuhaus,
Wohnhaus, Getreidekästen, Stallungen, Stadeln, der neugebaute Sommerkeller
(11.600fl), das Schullehrerhaus, Försterhaus in Burgrain, Wasenmeisterhaus mit
Hundszwinger, Teichenschupfen, Ziegelstadl
mit Brennofen und Trockenhütte, Zehntstadl zu Walpertskirchen, in Isen die götzengrienische
Behausung oder Gerichtsschreiberei mit Stallungen (3.400fl), das Armenhaus und
das ehemalige Waisenhaus, beide dem nunmehr säkularisierten Isener
Liebesbund gehörig: alles zusammen schätzt man auf 18.350fl.
Einige zum Schloss gehörige aber weiter entfernte Grundstücke
werden an die angrenzenden Bauern verkauft, das Schloss selbst, mit den übrigen
Ländereien, aber ohne die herrschaftlichen Wälder und die Jagd, soll
versteigert werden.
Durch
Plakate wird bekannt gegeben, daß Schloß
Burgrain mit allen Wohn- und Wirtschaftsgebäuden, der Weiß- und Braunbierbräuerei, sämtlichen Feldern und Wiesen als grundzinsiges Eigentum mit vorbehaltlicher höchster
Genehmigung Montag, den 12. März 1804 öffentlich versteigert werde:
„Kauflustige sollen sich im Schlosse Burgrhain einfinden. Freysing,
12. Hornung (=Februar) 1804. Churfürstl. General-Kommissariat.“
Der kurfürstl. Kämmerer, Major und
Flügeladjutant Friderich Karl Stephan Freiherr von Schönfeld bietet als
Einziger 21.000fl, aber verbunden mit vielen, z. Teil unannehmbaren
Forderungen.
Bei diesen Forderungen handelt es sich hauptsächlich um
zusätzliche Rechte und eine Arrondierung des Gesamtbetriebes. Der Interessent
bemüht sich um ein Objekt, das mit insgesamt ökonomisch ausreichenden
Möglichkeiten ausgestattet ist. Er kämpft um Jagdrecht, Fischrecht, Braurecht,
Branntweinrecht und um ausreichend land- und forstwirtschaftliche Flächen, um
die umfangreichen Gebäulichkeiten auch mit einer wirtschaftlichen Basis
auszustatten.
Am 20. April 1804 kommt es zur 2. Versteigerung. Major Freiherr
von Schönfeld bietet nun 20.600fl erhält aber wieder nicht den Zuschlag.
Im August 1804 findet die 3. Versteigerung statt. Aber nicht Major
von Schönfeld erhält den Zuschlag, sondern Gräfin von Ludolph,
geborene Gräfin von Kosen, Gesandtenwitwe aus Edenburg
in Ungarn für 24.111fl. Zusätzlich erwirbt sie für 2.939fl Materialvorräte und
die Schloßmöbel.
Dies war kein schlechtes Geschäft für das Churfürstl.
General-Kommissariat, hatte es doch das Gesamtobjekt mit weniger als 18.000fl
taxiert, darin enthalten 2.859fl für die Bräugeschirre
und Gerätschaften sowie die Schlossmöbel für die lächerliche Summe von 24fl.
Bei letzteren fragt man sich allerdings, was aus den „in deutscher
Behaglichkeit ausgestatteten Gemächern“ Franz v. Eckhers
geworden ist.
Was auch immer Gräfin Ludolph in Schloss
Burgrain gesucht haben mag, es ist ihr Geheimnis geblieben, jedenfalls hat sie
es noch im selben Jahr an Josef Gnatz weiterverkauft.
Die von Major Freiherr von Schönfeld beanstandete mangelnde
Gesamtausstattung des Objektes blieb als schwere Hypothek für die Zukunft
bestehen. Der Katasterplan von 1812 zeigt, dass die Grundflächen sehr
zerstückelt waren und keine bedeutenden Waldflächen enthielten.
Neuanfang
Josef Gnatz wurde 1762 in Gündelkofen
bei Landshut geboren. Offensichtlich lebt er aber bereits 1801 in Burgrain, da
seine Tochter Viktoria dort zur Welt kommt. Es ist deshalb durchaus wahrscheinlich,
dass er bereits zu dieser Zeit entweder in der Schlossökonomie oder in der
gerade erweiterten Brauerei beschäftigt ist. Inwieweit er bei den
Versteigerungen teilnimmt, ist unklar. Ebenso ist unbekannt, zu welchem Preis
er Schloss Burgrain kurze Zeit danach erwirbt. Da aber zwischen der
Versteigerung im August 1804 und dem Kauf durch Gnatz nur wenige Monate liegen,
kann angenommen werden, dass er über das Kaufobjekt schon länger gut informiert
war. Wenn er, wie oben dargelegt, zu dieser Zeit tatsächlich Angestellter der
Schlossökonomie oder der Brauerei ist, könnte man den Kauf von Schloss Burgrain
als frühe Form des „Management-buyout“ bezeichnen.
Schloss Burgrain, nun in Privathand, hat zwar bei weitem nicht
mehr die wirtschaftliche Basis wie vor der Säkularisation, trotzdem bleibt ihm
das Schicksal anderer Schlösser der Umgebung (z.B. Haag, Kling, Kopfsburg, Wasentegernbach)
erspart, die schließlich, ihrer Funktion beraubt, nur noch als Steinbruch
Verwendung finden. Es ist anzunehmen, dass Josef Gnatz wesentlichen Anteil an
dieser Leistung hat.
Ob Gnatz später in finanzielle Schwierigkeit kommt ist unklar.
Interessant ist aber, dass Heilmaier in der Chronik
hier einem Irrtum, vielleicht auch übler Nachrede, aufgesessen ist. Er schreibt
in der Chronik über Gnatz: „kam 1820 auf
die Gant “, was nach heutigem Sprachgebrauch bedeutet, er musste Konkurs
anmelden. Tatsächlich verhält sich die Sache so, dass Michael Seidenschwarz am
19.5.1822 Viktoria Gnatz heiratet und 10 Tage später Schloss Burgrain von
seinem Schwiegervater käuflich erwirbt.
Die Familien Gnatz, Seidenschwarz und Niederreither,
alle durch Eheschließung miteinander verwandt,
führen nun Schloss Burgrain nach dieser unruhigen Zeit der Säkularisation wieder zu einer Kontinuität, die mehr als 100
Jahre andauern wird. Brauerei und Ökonomie bleiben die wirtschaftliche Basis.
Ulrich
Klapp
Schloss Burgrain, 2003
Quellen-
und Literaturangaben
1.Dr.
Karin Berg: Schloss Burgrain, Archivrecherchen zur
Renovierungsgeschichte seit der
Säkularisation,
August 2000 (unveröffentlicht)
2.Prof.
Dr. Hubert Glaser: Hochstift Freising;
Beiträge zur Besitzgeschichte, München
3.Ludwig
Heilmaier: Die ehemalige freisingische
Herrschaft Burgrain, München 1911
4.Ludwig
Heilmaier: Das Kollegiatstift St. Zeno in Isen,
München 1951
5.Norbert
Keil: Das
Ende der geistlichen Regierung in Freising; Studien zur altbayerischen
Kirchengeschichte,
Band 8, Verein für Diözesangeschichte von München und Freising e.V. , München 1987
Dieser Artikel wurde im nachfolgenden Buch veröffentlicht
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Herausgegeben
vom Arbeitskreis Kultur im Ostbündnis der Landkreise Erding und Mühldorf Begleitheft
zur gleichnamigen Ausstellungsreihe 131
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